Montag, 25. April 2016

Fragwürdige Renaturierung von Hochmooren ruiniert historische Archive

In den letzten Jahren werden verstärkt auch in Südwestdeutschland Moore 'renaturiert'. Die Ziele solcher Maßnahmen sind vielfältig: Sie sollen dem Artenschutz und mit der Diskussion der Moore als CO²-Senken zunehmend auch dem Klimaschutz dienen. Dazu werden künstliche Barrieren geschaffen, die den Wasserabfluss bremsen und Bäume werden gerodet.

Harzmoos bei St. Peter
Im Jahr 2013 neue errichtete Sperren im mit engem Abstand. Beim Bau entstanden massive Schäden auf der Mooroberfläche und in den Torfen
(Foto: A. Hölzer 2013, mit freundl. Genehmigung)
Ein Artikel von Adam Hölzer, ehemals am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe setzt sich mit dieser "Renaturierung" von Hochmooren auseinander. Er untersucht solche Maßnahmen anhand von sechs Beispielen, wie etwa dem Hinterzartener Moor, dem Ibacher Fohrenmoos, dem Kohlhüttenmoos und dem Harzmoos bei St. Peter im Südschwarzwald sowie dem NSG Waltere in Oberschwaben und dem NSG Elzhofmoor im Mittleren Schwarzwald. Die Bilanz fällt ernüchternd aus:
  • Adam Hölzer, Moor-Renaturierung – eine kritische Diskussion der Entwicklung in SW-Deutschland. standort.wald 49, 2015, 101 - 117
    [Der Verein für Forstliche Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung e.V., der sich für eine standortnahe Waldbewirtschaftung einsetzt, verspielt übrigens viel von seinem potentiellen Einfluss dadurch, dass die Zeitschrift nicht Open Access steht.]

Kritikpunkte

Die getroffenen Maßnahmen erfolgten meist ohne die nötigen Voruntersuchungen und wurden kurzfristig mit erheblichen Geldmitteln, unter anderem von Daimler durchgeführt, die freilich die absehbaren Folgekosten nicht abdecken. Staumaßnahmen, die entweder gar keine Wirkung zeigen oder im Gegenteil zu Staubereichen führen, die bereits laufende natürliche Regenerationen unterbrechen. Barrieren aus Holzspänen führen zu einer Nährstoffanreicherung, die dem Moorcharakter zuwiderlaufen und zu Methanfreisetzungen führen, die die intendierten CO²-Speicher zunichte machen. Die Niederschlagsbilanz in den Mooren des Schwarzwaldes beispielsweise ist keineswegs so, dass ein Mangel an Wasser besteht und ein gewisser Abfluss natürlich und notwendig ist.
"In ein paar Jahren wird man erkennen, daß die ganzen Eingriffe nur Geld gekostet haben. Nur wird dann der Torf in vielen Gebieten massiv gestört sein und die unwiederbringlichen Archive werden zerstört sein. Es heißt immer, daß durch Wiedervernässung die Torfe geschützt seien. Aber das ist ein Trugschluß, auch eine trockene Oberfläche schützt den Torf. Zudem muß man dazu den Torf nicht 'umwühlen'."  (e-Mail A. Hölzer v. 29.2.2016)
Erfahrungen und Vorbilder für die Renaturierungsmaßnahmen stammen aus Norddeutschland, ohne dass darüber reflektiert wird, inwiefern diese für die südwestdeutschen Moore angemessen sind. Dabei ist auch zu bedenken, dass Moore keineswegs reine Naturphänomene sind, sondern ihre Entstehung oft ganz erheblich mit früheren Kulturlandschaften zu tun hat, die man erst verstehen muss, um angemessene Naturschutzmaßnahmen zu treffen. Dazu sind ökologische Voruntersuchungen und landschaftshistorische Forschungen erforderlich, für die gerade die Moore selbst eine erhebliche Quelle darstellen.

Politik und Sponsoren stellen derzeit gerne Geld für solche gut gemeinten Maßnahmen bereit, das natürlich auch gerne ausgegeben wird.
"Neben der Rolle der Moore als Habitat für spezialisierte Arten ist die Bedeutung der Moore als einzigartige, unersetzbare naturwissenschaftliche Archive bei den Akteuren der Moorrenaturierung offenbar zu wenig bekannt und zu wenig im Bewusstsein, so dass dieser Gesichtspunkt auch viel zu wenig Berücksichtigung findet." (Hölzer 2015, 112)
Alle diese Maßnahmen sind aber mit nicht unerheblichen Eingriffen in den noch vorhandenen Moorkörper verbunden. Da Torfabbauflächen in Südwestdeutschland relativ selten und eher klein sind, "erfolgen Eingriffe in schwach gestörte und in schon seit Jahren in Selbstheilung begriffene Moore. (...) Dabei werden erhebliche Schäden verursacht, sowohl an der Mooroberfläche als auch an den Torfprofilen, die in ungestörtem Zustand einzigartige und unersetzbare Archive unserer Vergangenheit sind"(Hölzer 2015, 101). Mit den Maßnahmen werden eben jene Daten vernichtet, die man für die Qualitätssicherung dringend benötigt.

Moore als historische Archive

Moore sind für die Archäologie bedeutende Archive, nicht nur wegen der archäologischen Fundstellen, wie etwa am Federsee, sondern wegen der dort sehr guten Erhaltungsbedingungen für Pollen, die eine Grundlage bilden, Landschafts- und Kulturgeschichte zu rekonstruieren, auch wenn dabei einige methodische Probleme zu bewältigen sind - Einflüsse des Fernflugs von Pollen oder gerade auch die Folgen des Torfstechens, das durchaus zu Kontaminationen führen kann. Selbst wenn die Maßnahmen nicht zur Zerstörung der gewachsenen Moorkörper führen, erschwert und verteuert die mangelnde Dokumentation der Naturschutzmaßnahmen eine spätere Beprobung und Interpretation.
Bohrungen in einem Moor bei Würzbach
(Foto: R. Schreg, Mai 2008)
Im Schwarzwald wie auch in Oberschwaben gibt es nur noch wenige Moore, die nicht durch solche Aktionen gestört sind, oder für die keine Pläne existieren. Erst in den vergangenen Jahren haben die Moore des Schwarzwald als Quelle der Besiedlungsgeschichte verstärkte Beachtung gefunden. Dabei konnten einige Hinweise gewonnen werden, die auf eine frühere Besiedlung hinweisen, als man lange angenommen hat. Die Forschung ist hier auf ein Zusammenspiel weiterer pollenanalytischer Forschungen wie auch landschaftshistorischer und -archäologischer Forschung angewiesen. Dabei geht es um die Grundlagen eines adäquaten Naturschutzes, aber auch um grundsätzliche Vorstellungen über den Einfluss menschlichen Handels auf Natur und Klima lange vor der Industrialisierung.


Mit bestem Dank an Adam Hölzer für ergänzende Auskünfte.

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