Samstag, 16. Januar 2016

Der Schwarze Tod in der Bronzezeit

Schon lange hat man im Endneolithikum einen Bruch in der Besiedlung gesehen: Neue Siedlungsstrukturen, neue Bestattungssitten, neue Wirtschaftsweise und auch neue Töpfe - die namengebend wurden für die "Schnurkeramik". Von Seiten der Anthropologie wurde dabei eine Einwanderung aus dem Osten postuliert. Viele Interpretationen wurden an die Schnurkeramik-Kulturen geknüpft, so z.B. die Einwanderung der Indoeuropäer. Große methodische Unsicherheiten bestanden, weil man sich bewusst wurde, dass Einwanderungshypothesen häufig auf wackligen Beinen stehen (vergl. Archaeologik 15.11.2015). Seit einiger Zeit aber ermöglichen DNA-Analysen tatsächlich eine genauere Charakterisierung der Populationen und hier zeigt sich, dass tatsächlich am Ende des Neolithikums eine große Zuwanderungswelle festzustellen ist, so dass 75% der endneolitischen Bevölkerung in Europa Vorfahren unter osteuropäischen und asiatischen Steppenbewohnern hatten. Eine durchaus nicht unwahrscheinliche Verknüpfung mit der Ausbreitung indoeuropäischer Sprachen kann aus diesen Daten freilich nicht sicher gefolgert werden, da man methodisch sauber zwischen Sprachgruppen und Abstammungsgemeinschaften (und ethnischen Identitäten) trennen muss.

Yersinia pestis,
Direct Fluorescent Antibody Stain (DFA),
200x Magnification
(Centers for Disease Control and Prevention's
Public Health Image Library [PHIL],
identification number #1918 [public domain]).
Ein solch massiver Einschnitt in der Bevölkerungsgeschichte Europas, wie er hier nun postuliert wird, ist eigentlich unbegreiflich, gäbe es da nicht eine neue Spur. Einer Gruppe dänischer Genetiker ist es gelungen, aus bronzezeitlichen Skelettreste aus Mittel- und Osteuropa die DNA von yersinia pestis, dem Erreger der Pest zu extrahieren. Möglich war dieser Erfolg durch ein gezieltes Screening, da der dänische Archäologe Kristian Kristiansen die Idee hatte, dass ein solcher Bevölkerungswechsel doch nur Folge einer verheerenden Epidemie, wie der Pest gewesen sein könnte. Gezielt wurde deshalb geprüft, ob yersinia pestis im Spiel sein könnte. Dass bei gut 10% der untersuchten bronzezeitlichen Gräber ein positiver Beleg gelang, ist ein Zeichen dafür, dass Europa am Ende des 3. Jahrtausends massiv von der Pest betroffen war.

  • Simon Rasmussen/  Morten Erik Allentoft/  Kasper Nielsen/  Ludovic Orlando/ Martin Sikora/ Karl-Göran Sjögren/ Anders Gorm Pedersen/ Mikkel Schubert/ Alex Van Dam/ Christian Moliin Outzen Kapel/ Henrik Bjørn Nielsen/ Søren Brunak/ Pavel Avetisyan/ Andrey Epimakhov/ Mikhail Viktorovich Khalyapin/ Artak Gnuni/ Aivar Kriiska/ Irena Lasak/ Mait Metspalu/ Vyacheslav Moiseyev/ Andrei Gromov/ Dalia Pokutta/ Lehti Saag/ Liivi Varul/ Levon Yepiskoposyan/ Thomas Sicheritz-Pontén/ Robert A. Foley/ Marta Mirazón Lahr/ Rasmus Nielsen/ Kristian Kristiansen/ Eske Willerslev: Early Divergent Strains of Yersinia pestis in Eurasia 5,000 Years Ago. Cell 163/3, 2015, 571–582 (22.10.2015). - DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2015.10.009 - open access!



    Erst seit kurzem ist es möglich, yersinia pestis genetisch zu fassen (Bos u.a. 2011). So ist der Nachweis gelungen, dass es sich bei dem Schwarzen Tod 1347-49 eben tatsächlich um die Pest handelte, ebenso wie bei der Justinianischen Pest (Wiechmann/Grupe 2005). Dabei ist es auch gelungen, eine Rekonstruktion des Stammbaums des Pesterregers vorzunehmen (Bos u.a. 2011), der nun mit den bronzezeitlichen Belegen deutlich erweitert werden kann. Dabei scheint es so, dass der damalige Erreger noch nicht über den Floh übertragen worden sein kann. Die noch vor wenigen Jahren vertretene These, wonach yersinia pestis erst kurz vor dem Schwarzen Tod des 14. Jahrhunderts entstanden ist, ist damit widerlegt. Die Pest begleitet den Menschen seit mindestens 5000 Jahren.
    Schema der Entwicklung von yersinia pestis
    (© Simon Rasmussen, Morten Erik Allentoft, Kasper Nielsen, ..., Rasmus Nielsen, Kristian Kristiansen, Eske Willerslev, Published by Elsevier Inc. [http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/]).

    Noch sind die Nachweise der Pest in der Bronzezeit chronologisch wie räumlich weit gestreut, so dass man mit einer genaueren Rekonstruktion der damaligen Ereignisse vorsichtig sein muss. Immerhin ist es ein denkbares Szenario, dass die Pest solch massive Bevölkerungseinbrüche in Europa mit sich brachte, dass anschließend Einwanderer aus dem Osten - aus den Regionen, aus denen yersinia pestis wohl auch damals endemisch war - nach Mitteleuropa einwanderten. Sie waren gegen die Erreger wohl immun. Es wird indes zu prüfen sein, inwiefern sich das Auftreten des Pesterregers chronologisch wird einengen lassen. Bislang ist nur ein Beleg aus Estland mit der Schnurkeramik in Verbindung zu bringen. Gräber, die eindeutig Pesttoten zugeordnet werden können, fehlen bislang. Die Funde des Erregers y.p. in bronzezeitlichen Gräbern bedeuten nur, dass die Personen infiziert waren, aber nicht, dass sie auch daran gestorben sind.

    (Copyright: Simon Rasmussen,
    Morten Erik Allentoft, Kasper Nielsen, ...,
    Rasmus Nielsen, Kristian Kristiansen, Eske Willerslev, Published by Elsevier Inc.
    [http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/]).


    Von kritischer Bedeutung ist auch die Frage, inwiefern diese bronzezeitliche Variante von y.p. übertragen wurde. Eine entscheidende Adaption von y.p., um im Floh längere Zeit zu überleben und so auch über größere Strecken in Kleidung oder Textilien transportiert zu werden, war damals noch nicht erfolgt. Noch erscheint es fraglich, ob y.p. für die vermuteten gravierenden Einbrüche in der Bevölkerung tatsächlich verantwortlich sein kann.

    Grab aus Bulanovo in Südrußland, 2280-247 BC
    (Foto: Mikhail V. Khalyapin, Copyright: Simon Rasmussen, Morten Erik Allentoft, Kasper Nielsen, ..., Rasmus Nielsen, Kristian Kristiansen, Eske Willerslev,
    Published by Elsevier Inc. [http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/]).
    Bislang ist es selbst für den Pestausbruch des Mittelalters noch weitgehend ungeklärt, wie hier die Übertragung stattgefunden hat, da die Pest auch solche Gegenden erreicht hat, in denen die Ratte als Überträger ausscheidet. Möglicherweise ist der Pestausbruch des 14. Jahrhunderts weit komplexer. Hier wird man prüfen müssen, inwiefern eventuell verschiedene Varianten von y.p. daran beteiligt waren.


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    Literaturhinweise



    • Bos u.a. 2011
      Kirsten I. Bos/ Verena J. Schuenemann / G. Brian Golding / Hernán A. Burbano / Nicholas Waglechner / Brian K. Coombes / Joseph B. McPhee / Sharon N. DeWitte / Matthias Meyer / Sarah Schmedes / James Wood / David J. D. Earn / D. Ann Herring / Peter Bauer / Hendrik N. Poinar / Johannes Krause: A draft genome of Yersinia pestis from victims of the Black Death. Nature 47, 2011, 506–510 (27.10.2011). - doi:10.1038/nature10549.
    • Haak u.a. 2015W. Haak/ I. Lazaridis/ N. Patterson/ N. Rohland/ S. Mallick/ B. Llamas u.a., Massive migration from the steppe was a source for Indo-European languages in Europe. Nature 522 (7555), 2015, 207–211. - DOI: 10.1038/nature14317.

      ResearchBlogging.org
    • Rasmussen u.a. 2015
      S. Rasmussen/ M. Allentoft/ K. Nielsen/ L. Orlando/ M. Sikora/ K. Sjögren/ A. Pedersen/ M. Schubert/ A. Van Dam/ C. Kapel/ H. Nielsen/ S. Brunak/ P. Avetisyan/ A. Epimakhov/ M. Khalyapin/ A. Gnuni/ A. Kriiska/ I. Lasak/ M. Metspalu/ V. Moiseyev/ A. Gromov/ D. Pokutta/ L. Saag/ L. Varul/ L. Yepiskoposyan/ T. Sicheritz-Pontén/ R. Foley/ M. Lahr/ R. Nielsen/ K. Kristiansen/ E. Willerslev: Early Divergent Strains of Yersinia pestis in Eurasia 5,000 Years Ago Cell, 163 (3), 2015, 571-582 DOI: 10.1016/j.cell.2015.10.009.
    • Wiechmann u.a. 2005
      I. Wiechmann / G. Grupe, Detection of Yersinia pestis DNA in two early medieval skeletal finds from Aschheim (Upper Bavaria, 6th century A.D.). American Journal of Physical Anthropology 126 (1), 2005, 48–55. - doi: 10.1002/ajpa.10276.

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