Samstag, 11. Juli 2015

Antikenhandel und Terror - eine Podiumsdiskussion

Die Zerstörungen von Kulturgütern in Syrien und Irak haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Politik in den letzten Jahren verstärkt auf den Kulturgüterschutz gelenkt. Neben den eingängigen Bildern der Zerstörung, die die Propaganda von Daesh (IS) aus Ninive und Hatra liefert, stehen die teilweise schon älteren Bilder der Mondlandschaften, die Plünderer hinterlassen haben.
In Deutschland wird derzeit an einer Gesetzesnovelle zum Kulturgüterschutz gearbeitet. Einerseits hat sich das Listenprinzip des bestehenden Kulturgüterrückgabegesetzes nicht bewährt, andererseits aber sind auch Anpassungen an EU-Rechtslage notwendig. Vor allem aber sind sicherheitspolitische Erwägungen eine wichtige Motivation für die Gesetzesnovelle: Der Handel mit Antiken gilt als eine wichtige Einnahmequelle von Daesh.

Am Freitag nachmittag (10.7.2015) bot die Präsentation des Buch "Stolen, Smuggled, Sold. On the Hunt for Cultural Treasures (Rowman & Littlefield 2015 - ISBN 978-0759121928)" von Nancy Moses, ehemalige Direktorin des History Museum Philadelphia, Anlaß für eine Podiumsdiskussion zum Thema "Fördert der Handel mit Antiken den internationalen Terror?" Das neue Buch - bislang nur auf Englisch erschienen - wurde von der Autorin eingangs vorgestellt. Es schildert das Schicksal verschiedener Museumsobjekte, die eine illegale Vergangenheit haben:
Ein Beispiel ist für Moses ein kleines sumerisches Goldgefäß, das im Münchner Kunsthandel sichergestellt wurde. Gefunden im Irak, wurde das Gefäß durch die "Schweißbrenneraffäre" bekannt., die Moses in ihrem Buch auch beschreibt (vergl. Müller-Karpe 2011; 2012). Es handelt sich um eines der ältesten Goldgefäße, das mit Sicherheit aus einem sumerischen Königsgrab stammt, das wahrscheinlich von den Raubgräbern zerstört wurde. Moderne archäologische Untersuchungen solcher Gräber gibt es nicht. Die berühmten Königsgräber von Ur wurden in den 1920er und 30er Jahren ausgegraben und waren ein Schlüsselbefund zur Kenntnis der Gesellschaft des 3. Jahrtausends v.Chr. in Mesopotamien, die von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der modernen Zivilisation war.

Sumerisches Goldgefäß aus dem 3. Jahrtausend v. Chr., das in München sichergestellt und inzwischen an seinen rechtmäßigen Eigentümer, die Republik Irak, zurückgegeben wurde.
(Foto: Michael Müller-Karpe / RGZM)
Als zweites Beispiel präsentierte Moses die Geschichte des indianischen 'Ghost Shirt' von Wounded Knee. Nach dem Massaker an den Lakota-Indianern 1890 wurden die Leichen geplündert. Ein Ghost Shirt eines Schamanen fand 1891/2 bei der Europa-Tour der Buffalo Bill Wild West Show ins Kelingrove Museum in Glasgow, wo es mehr als 100 Jahre befand. Bei einer Ausstellung entdeckte ein Nachfahre der Überlebenden das Hemd, das inzwischen in die USA an die Lakota-Indianer zurück gegeben wurde. In Großbritannien löste der Fall eine Debatte über die Rückgabe von Kulturgütern aus (zum Fall: s. engl. wikipedia; LA Times, Historic Tunic Goes Home to Lakota Sioux. (29.11.1998). - http://articles.latimes.com/1998/nov/29/news/mn-48724).

Begräbnis der Toten des Massaker von Wounded Knee 1891. Die Toten wurden dabei geplündert - 
(Foto: Library of Congress Prints and Photographs Division, Reproduction Number: LC-USZ62-44458,
PD via Wikimedia Commons)

Moses betonte, dass alle Objekte in Museen ohne detaillierte, nachvollziehbare Objekte in Museen Raubgütern seien, formell möglicherweise legal, sicher aber unethisch. Die Bedeutung des Problems der Raubobjekte werde deutlich, wenn man daran denkt, dass der Terrorangriff von 9/11 teilweise aus dem Erlös des Antikenhandels finanziert worden sei.

Aus der folgenden Podiumsdiskussion mit Eckard Laufer (Landeskriminalamt Wiesbaden), Michael Müller-Karpe (RGZM), Michelle Müntefering (Mitglied des deutschen Bundestags) und Amir Musaway (Iraquia TV) moderiert durch Daniel Gerlach (zenith) seien hier nur einige Gedanken herausgegriffen.

Im Irak gilt Deutschland als ein kulturbewusstes Volk, um so weniger verstände man, so der irakische Journalist Musawi, das Versagen Deutschlands bei der Rückführung von Raubgrabungsfunden. Die juristischen Grundlagen seien in Deutschland einfach zu schwach und die Marktlobby sei in Deutschland zu einflußreich. Der Generalkonsul der Republik Irak Ali Al-Bayati hatte in seinem Grußwort die Bedeutung internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den illegalen Antikenhandel und den Terrorismus herausgestellt. Daesh habe keinen Respekt, weder gegenüber Menschen, noch gegenüber Kulturgütern und auch nicht gegenüber dem Islam.

Die Frage, inwiefern sich Daesh durch Antikenhandel finanziert, ist schwierig zu beantworten. Der irakische Journalist stellte fest, dass es aus dem Gebiet unter Kontrolle des IS keine direkten Nachrichten gäbe, dass die Menschen dort derzeit auch andere Probleme hätten, als sich um das Kulturerbe zu kümmern. Jenseits der Grenze sei aber an Funden aus Irak und Syrien alles zu kaufen. Angeblich haben Raubgrabungsgüter gegenüber dem Öl an Bedeutung gewonnen. 
Das  Problem des illegalen Antikenhandels sei keineswegs neu, betonte auch Laufer. Die Terroristen nutzen längste etablierte Schmugglerwege und kooperierten hier auch mit der Schwerkriminalität.

Für die Bundesregierung spielen bei der Novellierung des Kulturgüterschutzes auch sicherheitspolitische Aspekte eine Rolle. Es ist ein Anliegen, dem Daesh die Finanzierungsquellen zu nehmen. Zwar sei durch den Terror das Bewußtsein für den Kulturgüterschutz gestiegen, doch sei der Auswärtige Ausschuss schon länger mit der Thematik befasst, so die Abgeordnete Müntefering. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen mit dem Listenprinzip hätten sich als unbrauchbar erwiesen. Eine Neuregelung müsse EU-Rahmenbedingungen gerecht werden und Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern auch im Binnenmarkt regulieren. Insgesamt müsse die Gesetzeslage kohärenter werden und vereinfachend in einem Gesetz zusammengefasst werden. Bei der Erarbeitung des Kulturgüterrückgabegesetzes 2008 sei man mit dem Listenprinzip eingeknickt und hätte die ursprüngliche scharfe Regelung entscheidend verwässert. Dies dürfe nicht wieder passieren.
Eine Umkehr der Beweislast sahen mehrere der Diskutanten als Notwendigkeit. Eckard Laufer schilderte, dass die Ermittlungsbehörden in der Regel dann tätig werden, wenn sich in den gängigen Provenienzgeschichten Unstimmigkeiten zeigten. In der Regel zeigt sich dann, dass die Legenden der Provenienz durch keine Papiere belegt werden könnten. Auch er fordert eine Umkehr der Beweislast. Raubgrabungsfunde werden ja nicht vom Staat registriert, deshalb können sie auch nirgendwo gelistet sein. Bisher fehle es aber bei Strafverfolgungsbehörden bei einem Bewusstsein für die Problematik.
Da das osmanische Reich und seine Nachfolgestaaten ja prinzipiell bereist seit 1869 eine gesetzliche Regelung des Antikenhandels besitzen, wurden bei legal ausgeführten Fundobjekten schon lange offizielle Papiere ausgestellt. Händler haben solche Genehmigungen nie erhalten, die Ausfuhren sind daher schon immer illegal gewesen. Dass der Handel keine Papiere vorlegen kann, ist also kein Wunder. Funde werden oft über Jahre gebunkert und als "alte Sammlung" deklariert, bevor sie auf dem Markt landen.
Wie beim Handel mit Pelzen und Elfenbein muss sich in der Gesellschaft ein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Einen Schritt weiter ging hier Michael Müller-Karpe mit seinem Vergleich mit dem Organhandel. Auch der Archäologie ginge es um Menschen, nicht um Objekte. Bemerkenswert erscheint mir in diesem Kontext eine Feststellung von Michelle Müntefering,  die eher nebenbei bemerkte, man dürfe den Funden keinen Geldwert zumessen, sondern müsste vielmehr den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Archäologen einen gesellschaftlichen Wert zuerkennen.
Wie man dies erreichen könnte, wurde in der Diskussion nicht angesprochen, lediglich aus dem Publikum kam der Wunsch man müsse Kampagnen starten wie eben bei den Pelzen, um Unrechtsbewusstsein zu schaffen.

In Bezug auf die aktuelle Gesetzesnovellierung sieht Müller-Karpe das Risiko, dass zwar prinzipiell ein scharfes Gesetz mit einer Nachweispflicht verabscheidet würde, dieses aber durch eine präzisierende Definition legaler Antiken mittels eines Stichdatums nicht ausgehebelt und ins Gegenteil verkehrt werden dürfe. Die Nachweispflicht müsse auch für bereits auf dem Markt befindlichen Funde gelten, da sonst der Markt als Ganzes legalisiert würde. Angesichts der meist unstimmigen Provenienzlegenden und gefälschter Papiere muss eine Stichtagsregelung unwirksam bleiben und hat nur den Effekt, dass der ganze Sinn der Gesetzgebung hintertrieben würde.

Das Schlusswort zur Diskussion kam aus dem Publikum: Die Forderung, den Handel mit archäologischen Funden vollständig zu verbieten.

Podiumsdiskussion in Mainz zur Finanzierung von Terrororganisationen durch illegalen Antikenhandel
(Foto: RGZM / C. Nitzsche)



Literatur
  • Moses 2015
    N. Moses, Stolen, Smuggled, Sold. On the Hunt for Cultural Treasures (Lanham: Rowman & Littlefield 2015). - ISBN 978-0759121928
  • Müller-Karpe 2011
    M. Müller-Karpe, Kriminalarchäologie (Mainz 2011)
  • Müller-Karpe 2012
    M. Müller-Karpe, Kriminalarchäologie: Die „Schweißbrenneraffäre“. Das vornehme Geschäft der Kulturzerstörung. BdK-Verbandszeitschrift. Sonderausgabe Hessen-Extra 4.4.2012

Links
Nachtrag (13.7.2015):






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