Dienstag, 23. September 2014

Karanis - oder Die Geschichte(n) hinter den Bildern

ein Beitrag von Jutta Zerres

Anfang des Monats rückten die Aktivisten von Egypt’s Heritage Taskforce mit einer Meldung auf ihrer FB-Seite über systematische Plünderungen in Kom Aushim, dem antiken Karanis einen weiteren Fundort in den Fokus des Kulturgüterschutzes. Mitglieder der Gruppe veröffentlichten eine Serie von 120 Fotos zur Dokumentation der jüngsten Raubgrabungsaktivitäten am Gräberfeld der antiken Siedlung.


Die Bilder von Raubgrabungslöchern, zerstörten Grabkammern, zerschlagenen Sarkophagen und Grabbeigaben und von verstreuten menschlichen Gebeinen sind für sich genommen schon ziemlich deprimierend. Das wahre Ausmaß des Schadens, den solche Raubgrabungen anrichten wird - über beachtliche Fotodokumentation hinaus - noch besser transparent, wenn man sich den Stellenwert vor Augen führt, den besonders dieser Ort für die archäologische Forschung zum griechisch-römischen Ägypten einnimmt:






Die Stadt Karanis („Stadt des Herrn“) liegt im äußersten Nordosten der Oase El-Fayoum und gehört zu den besterhaltensten Stätten aus griechisch-römischer Zeit. Die Siedlung wurde um die Mitte des 3. vorchristlichen Jahrhunderts gegründet. In der Zeit als Ägypten zu den Provinzen des römischen Reiches gezählt wurde, wuchs die Bedeutung des Ortes in wirtschaftlicher Hinsicht und als Verwaltungssitz. Im 2. und 3. Jahrhundert erlebte sie ihre Glanzzeit. Besiedelt war Karanis wohl bis ins 5. Jahrhundert.

Nordtempel von Karanis
(Foto: Roland Unger via WikimediaCommons [CC BY SA 3.0])

Zwischen 1924 und 1935 fanden Ausgrabungen der Universität Michigan statt.
Für Fachleute und Laien beeindruckend sind neben den beiden Tempeln (Nord- und Südtempel) aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. die äußerst gut erhaltenen Wohnhäuser, von denen bisher nur ein kleiner Teil ausgegraben wurde. Einzelne Häuser standen bei der Freilegung teilweise noch einige Stockwerke hoch aufrecht. Das trockene Wüstenklima sorgte dafür, dass auch Gegenstände aus organischen Materialien erhalten blieben. So fanden sich Holzbalkendecken, hölzerne Möbel und Türen mit Verrieglungen und Schlüsseln, Kinderspielzeug, Bastkörbe und Werkzeuge, Stoffreste und viele andere Dinge des Alltagslebens, die anderswo längst verrottet sind. Die Stadt verfügte außerdem über ein Badehaus und einen Getreidespeicher. Zu den Besonderheiten zählen auch die zahlreichen Taubenschläge.

Papyrus 511
(H. C. Youtie/J. G. Winter,
Michigan papyri 8. Papyri and ostraca from Karanis.
University of Michigan studies / Humanistic series 50
[Ann Arbor, Mich. 1951].
PD via WikimediaCommons)
Funde von ca. 5000 Papyri und Ostraka (beschrifteten Tonscherben) sicherten dem Fundort entgültig seine herausragendes Bedeutung für die Forschung. Die Schriftstücke - es handelt sich hauptsächlich um Wirtschafts- und Verwaltungstexte - geben in kaum gekannter Weise Einblick in das Leben der Bewohner und ihren Alltag.


Literaturhinweis

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